Grand Défi des Vosges
Additive Integration (Cavalierisches Prizip)
Aufwachen, Muskulatur checken! Im Gegensatz zu gestern Abend spür ich ziemlich
wenig. Das klingt erst mal gut. Aber 59 km sind lange, wer weiß, bis wohin das
gute Gefühl anhält. Es könnte schon beim ersten Berg, gleich nach dem Start,
vorbei sein mit der Herrlichkeit. Ich bin gespannt, Erfahrungen mit einem
Doppelstart habe ich ja bislang nicht sammlen können bzw. mögen.
Erwin berichtet Ähnliches. Allerdings war er vergangenes Jahr schon bei der Challenge am Start und hat zudem schon den Trans Alpine Run erfolgreich absolviert. Da hat er mir ein wenig voraus. Wir scherzen miteinander. Ob er die halbe Stunde, die er gestern hinter mir lag, aufholen könne. Ich erkläre ihm meine Prioritäten: Minimalziel ist Ankommen, wesentliches Ziel allerdings, nicht mehr als eine halbe Stunde nach ihm ins Ziel zu kommen. Dafür würde ich mich aufarbeiten. Wir lachen und beschließen, erst mal wie gestern gemeinsam loszuziehen.
Das Prinzip von Cavalieri besagt: Zwei Körper besitzen dasselbe Volumen, wenn all ihre Schnittflächen in Ebenen parallel zu einer Grundebene in entsprechenden Höhen den gleichen Flächeninhalt haben.
Von höherer Mathematik verstehe ich rein gar nichts, doch als Veranschaulichung des Cavalierischen Prizips dient häufig der Vergleich mit Salamischeiben. Salamitaktik sagt mir was: Scheibchenweise das große Ganze erreichen. Das wird heute mein Motto werden.
Erwin berichtet Ähnliches. Allerdings war er vergangenes Jahr schon bei der Challenge am Start und hat zudem schon den Trans Alpine Run erfolgreich absolviert. Da hat er mir ein wenig voraus. Wir scherzen miteinander. Ob er die halbe Stunde, die er gestern hinter mir lag, aufholen könne. Ich erkläre ihm meine Prioritäten: Minimalziel ist Ankommen, wesentliches Ziel allerdings, nicht mehr als eine halbe Stunde nach ihm ins Ziel zu kommen. Dafür würde ich mich aufarbeiten. Wir lachen und beschließen, erst mal wie gestern gemeinsam loszuziehen.
Das Prinzip von Cavalieri besagt: Zwei Körper besitzen dasselbe Volumen, wenn all ihre Schnittflächen in Ebenen parallel zu einer Grundebene in entsprechenden Höhen den gleichen Flächeninhalt haben.
Von höherer Mathematik verstehe ich rein gar nichts, doch als Veranschaulichung des Cavalierischen Prizips dient häufig der Vergleich mit Salamischeiben. Salamitaktik sagt mir was: Scheibchenweise das große Ganze erreichen. Das wird heute mein Motto werden.
Das Rennen
Startschuss und wir setzen uns in Bewegung; deutlich langsamer als gestern. "126.! Da geht noch was!" ruft uns Jürgen lachend zu, als wir den Ort verlassen. Und ob da noch was geht; Jürgen kennt offensichtlich das Cavalierische... äh... die Salamitaktik nicht: Eins nach dem Anderen!Erst den steilen Berg gleich nach dem Start bewältigen. Den gehen wir zunächst mal. Wir wollen uns nicht schon gleich zu Beginn aufarbeiten. Zudem laufen wir sowieso schon eher im Vorderfeld mit. Dann wird es flacher und wir nehmen Fahrt auf. Besser als gedacht, denke ich mir und gebe Gas, merke allerdings schnell, dass ich den Vortag noch in den Oberschenkeln spüre. Bergauf ist mir heute deutlich lieber, das hätte ich so nicht vermutet.
Erwins und meine Wege trennen sich, partielle Integration eben. Aber das hatten wir ja schon. Heute muss jeder auf sich selbst schauen, starke Phasen nutzen, Schwächen überstehen. Ich finde erst mal Anschluss bei Markus und Endre. Sie erkennen mich an meinem Shirt vom Großglockner, das ich heute trage. Wir schwelgen in Erinnerungen ans letzte Jahr, bevor die Beiden sich nach Vorne verabschieden. Und ich bin ohne groß über mich nachdenken zu müssen, schon bei km 24 angelangt. Beiben nur noch 35! Eichhörnchentechnik und von Verpflegung zu Verpflegung denken. Die 2. kommt bei km 43 in Dambach, die kenne ich von gestern. Wenn ich dort bin, ist das Rennen gelaufen, denn der Rest ist für mich gedanklich überschaubar. Vor und hinter der Versorgungsstelle ist die Strecke identisch zu gestern, dann geht es von der anderen Seite her und damit etwas kürzer über den Grand Wintersberg. Und auch das letzte Stück ins Ziel ist etwas kürzer als gestern... psychologisch wichtig und motivierend.
Erwins und meine Wege trennen sich, partielle Integration eben. Aber das hatten wir ja schon. Heute muss jeder auf sich selbst schauen, starke Phasen nutzen, Schwächen überstehen. Ich finde erst mal Anschluss bei Markus und Endre. Sie erkennen mich an meinem Shirt vom Großglockner, das ich heute trage. Wir schwelgen in Erinnerungen ans letzte Jahr, bevor die Beiden sich nach Vorne verabschieden. Und ich bin ohne groß über mich nachdenken zu müssen, schon bei km 24 angelangt. Beiben nur noch 35! Eichhörnchentechnik und von Verpflegung zu Verpflegung denken. Die 2. kommt bei km 43 in Dambach, die kenne ich von gestern. Wenn ich dort bin, ist das Rennen gelaufen, denn der Rest ist für mich gedanklich überschaubar. Vor und hinter der Versorgungsstelle ist die Strecke identisch zu gestern, dann geht es von der anderen Seite her und damit etwas kürzer über den Grand Wintersberg. Und auch das letzte Stück ins Ziel ist etwas kürzer als gestern... psychologisch wichtig und motivierend.
Aber zunächst mal freue ich mich, dass heute bis auf Start und Ziel kein Meter über Asphalt verläuft. Zudem hätte ich nicht vermutet, dass wir auch heute schöne Sandsteinformationen zu Gesicht bekommen. Die Landschaft hier ist einfach grandios. Und plötzlich steht Frank mit seiner Frau am Wegrand. Ihr Wanderweg kreuzt genau im rechten Augenblick die Rennstrecke... genial. Heute bekomme ich eine Motivationsspritze nach der anderen verpasst. Besser könnte es nicht laufen. Denn zwar werde ich auch hin und wieder überholt, doch in der Summe mache ich Platzierung um Platzierung gut und das, obwohl ich den gestrigen Tag schon in den Beinen habe. Jedes Überholmanöver gibt Energie und einen Schub nach Vorne. Zudem ist es heute deutlich wärmer als gestern, ich bin fast zu warm angezogen. Doch die Wärme tut der Seele gut...
Und letztendlich gebe ich gar nicht 100 %! Ich halte mir immer Reserven, bis ins Ziel. Denn das Cavalierische Prinzip ist ein Spezialfall des Satzes von Fubini. Der wiederum gibt an, unter welchen Bedingungen und wie man ein mehrdimensionales Integral mithilfe von eindimensionalen Integralen ausrechnen kann. Da ich das nicht beherrsche, bleibt mir nur eine Alternative: Kraft sparen, bis ich sicher weiß, dass ich ankomme!
An der Verpflegung in Dambach muss ich mich auch gar nicht groß aufhalten. Allerdings macht sich jetzt das Wissen um die Reststrecke, die noch vor mir liegt, nun bemerkbar. Jetzt kann ich meine Reserven einschätzen. Am Berg laufe ich deshalb glatt auf Ralf auf, der gerade etwas mit Magenproblemen kämpft und reisse ihn mit. Gemeinsam sind wir beide schneller, jeder profitiert vom anderen. Selbst ein ziemlich heftiges Stolpern hält mich nun nicht mehr auf, obwohl ich fast stürze. Beim Aufsteig zum Grand Wintersberg kann ich mich sogar ein wenig von Ralf lösen. Spätestens jetzt kann mich nichts mehr bremsen. Leichtfüßig springe ich den Berg hinunter, die letzten Kilometer ins Ziel sind heute vielleicht nicht so schön zu laufen wie gestern, weil meistens auf breiteren Fahrwegen, doch nach 130 km ist mir das gerade Recht. So muss ich nicht mehr ganz so viel aufpassen. Rund 50 min. rechne ich noch bis ins Ziel, hoffe auf eine Zeit unter 5:45 Std. Trotzdem bin ich überzeugt, wenn ich wollte, noch deutlich schneller sein zu können. Doch letztendlich habe ich heute nichts zu gewinnen und nichts zu verlieren, denke ich zumindest (und verschenke so nur um Sekunden eine bessere Platzierung).
Und letztendlich gebe ich gar nicht 100 %! Ich halte mir immer Reserven, bis ins Ziel. Denn das Cavalierische Prinzip ist ein Spezialfall des Satzes von Fubini. Der wiederum gibt an, unter welchen Bedingungen und wie man ein mehrdimensionales Integral mithilfe von eindimensionalen Integralen ausrechnen kann. Da ich das nicht beherrsche, bleibt mir nur eine Alternative: Kraft sparen, bis ich sicher weiß, dass ich ankomme!
An der Verpflegung in Dambach muss ich mich auch gar nicht groß aufhalten. Allerdings macht sich jetzt das Wissen um die Reststrecke, die noch vor mir liegt, nun bemerkbar. Jetzt kann ich meine Reserven einschätzen. Am Berg laufe ich deshalb glatt auf Ralf auf, der gerade etwas mit Magenproblemen kämpft und reisse ihn mit. Gemeinsam sind wir beide schneller, jeder profitiert vom anderen. Selbst ein ziemlich heftiges Stolpern hält mich nun nicht mehr auf, obwohl ich fast stürze. Beim Aufsteig zum Grand Wintersberg kann ich mich sogar ein wenig von Ralf lösen. Spätestens jetzt kann mich nichts mehr bremsen. Leichtfüßig springe ich den Berg hinunter, die letzten Kilometer ins Ziel sind heute vielleicht nicht so schön zu laufen wie gestern, weil meistens auf breiteren Fahrwegen, doch nach 130 km ist mir das gerade Recht. So muss ich nicht mehr ganz so viel aufpassen. Rund 50 min. rechne ich noch bis ins Ziel, hoffe auf eine Zeit unter 5:45 Std. Trotzdem bin ich überzeugt, wenn ich wollte, noch deutlich schneller sein zu können. Doch letztendlich habe ich heute nichts zu gewinnen und nichts zu verlieren, denke ich zumindest (und verschenke so nur um Sekunden eine bessere Platzierung).
Die Euphorie bleibt aus, doch die letzten Meter lege ich stolz zurück. Noch nie habe ich zwei Ultra-Distanzen innerhalb zweier aufeinanderfolgender Tage in Angriff genommen. Obwohl ich gestern schneller war als letztes Jahr, bin ich heute immer noch flott unterwegs. Der befürchtete Einbruch bleibt aus, im Gegenteil, ich bin sogar noch in der Lage, zuzulegen. Die letzten Meter ins Ziel jagen mir dann doch noch einen Schauer über den Rücken. Hinter der Ziellinie jubeln Nadja, Silke und Jürgen, ich jubel innerlich noch mehr als offensichtlich. Läuferherz, was willst Du mehr?
Ein wenig neugierig bin ich dann schon auf mein Ergebnis: Dem 20. Platz (unter 303 Finishern) gestern
habe ich heute Rang 54 (von 220) folgen lassen. Das bedeutet Rang 7 beim
L'Intégrale, Rang 4 in meiner Altersklasse. Vom dritten Platz trennen mich
allerdings Welten. Doch das ist mir egal. Anscheinend ist mir das gelungen, was
ich zu Schulzeiten nie geschafft habe: Ich habe die Integralrechnung verstanden!