Ultra Trail di Stoccarda a Lago di Costanza
Nightrun
Unterwegs
zurück zum Start
Mais im Morgenlicht.
Metzingen bis in die
Nacht
Hinter Metzingen der Albaufstieg, direkt, brutal, vom Glems Unterbecken hoch
zum oberen Speicher. Kein Zucker Schlecken und die erste richtige
Herausforderung. Danach wird die Strecke waldig, die vielen Obstbäume
verschwinden langsam, das macht die "Zwischendurchverpflegung" etwas
schwieriger. Bislang konnte ich mich quasi von der Hand in den Mund
ernähren... Äpfel, Zwetschgen, Birnen überall entlang der Strecke.
Das Segelfluggelände quere ich
verbotenerweise, kein Mensch und schon gar kein Flugzeug ist hier und heute
zu sehen. Ein Zwischenstopp am Supermarkt - zum Glück - denn meine
abendliche Suche nach einer Dorfwirtschaft oder einem Vereinswirt scheitert
kläglich. Dorfwirte gibt es zwar genug, doch die haben ihren Ausschank hier
in der Gegend offenbar schon längst eingestellt. Selbst in Langenenslingen
sitzt niemand in einer Kneipe beim Fußballgucken, heute ist "WM-Revanche"
zwischen Deutschland und Argentinien. Etwas unglücklich starte ich mit
meiner Notverpflegung in die Nacht.
Auch weiterhin gilt: Straßen? Nein Danke!
Was ich nicht geahnt habe, dass Routenplaner auch "Rückegassen" als Wege
auswerfen. Viele Kilometer traile ich so durch den Wald. Brennnesseln und
Disteln werden meine ständigen Weggefährten.
Die Nacht
Kurz vor Einbruch der Nacht wechsle ich noch die Akkus meines E-Trex. In der
völligen Dunkelheit muss das nicht unbedingt sein. Und spätestens jetzt
verbrauche ich mit der Beleuchtung mehr Energie, da gehe ich auf Nr. sicher.
Dafür ist mit Laufen nicht mehr so viel. Die dicht mit Unterholz bewachsenen
Pfade durch die Wälder sind im Laufschritt nur halsbrecherisch zu
bewältigen. Und die zurückliegenden 100 km spüre ich ebenfalls bereits.
Zwischen Mengen und Herbertingen quere ich die Donau, eine willkommene
Abwechslung der sich mittlerweile großflächig abwechselnden Maisfelder und
Wälder. Auf einer Bank mache ich für wenige Minuten meine Augen zu, bis mich
die Kälte weckt und wieder vorwärts treibt. Es dauert einige Zeit, bis ich
die feuchte Kälte endlich aus allen Gliedern vertrieben habe. Doch die Ruhe
hat gut getan.
Natur am Wegrand.
Im Landschaftsschutzgebiet.
Wege? Wege!
Die Nacht bricht an, ich bin mittlerweile im Kreis Biberach; wobei das
Schild am Rand eines Feldwegs steht.
Im Dunkeln angeblitzt... der erste Wegweiser, der einen Bodenseeort
ausweist.
Am Morgen. Endlich sehe ich wieder mehr dunkle Bäume und dunkle Maisfelder.
Immer noch riesige Maisfelder. Ich hätte gedacht, dass ich bereits früher
wieder auf Obstplantagen stoße.
Nach einer langen Nacht bin ich froh, wieder Natur zu sehen.
Noch 12 km nach Meersburg!
Vom Morgengrauen
nach Meersburg
Der Morgen graut, die Umrisse der Natur bekommen immer mehr Kontur, ich habe
die Nacht überstanden. Eine sms an meinen Schatz, dass ich immer noch gut
unterwegs bin, sorgt zumindest zuhause für Entspannung. Ich hingegen kämpfe
mittlerweile mit Blasen an den Füßen. Die ständige Feuchtigkeit im Schuh,
dazu die wohl etwas rutschige Innensohle - scheint ein Salomonproblem zu
sein - haben Spuren hinterlassen. Ich kämpfe mit Naturmedizin vom Wegrand
erfolgreich dagegen an. Der Schmerz lässt nach, ich kann bzw. könnte auch
wieder schneller laufen, wenn ich denn dazu noch in der Lage wäre.
Motivierend und deprimierend zugleich erweisen sich die vereinzelt
auftauchenden Straßenwegweiser. Die ersten Bodenseeorte stehen
angeschrieben, endlich auch Meersburg. Ich vergleiche mit den Daten meines
Gps und muss feststellen, dass ich statt der ursprünglich ausgeworfenen 153
km wohl doch deutlich über 100 Meilen unterwegs sein werde. Dabei habe ich
mich keineswegs oft oder gar weit verlaufen. Trotzdem machen sich die
ständigen kleinen Kurven, die der Track genüsslich schneidet, bemerkbar.
Doch Aufgeben kommt für mich nicht in Frage. Jetzt bin ich so weit gekommen,
da ist der Rest ein "Katzensprung"! .
Wildschweinspuren! Eine Rotte hat genau meinen Weg
durchpflügt.
Noch 2,5 km nach Meersburg. Mittlerweile halte ich mich an Straßen und
verzichte auf Trails. 160 km sind genug.
Noch 1 km.
Dann endlich das ersehnte Ortsschild.
Heiligenberg, Salem,
jetzt kenne ich bereits die ersten Orte von früheren Aufenthalten am See.
Das macht Mut und gibt Kraft für die sich nun endlos ziehenden Kilometer.
Doch irgendwann sorgt ein Straßenschild für Erlösung. "Meersburg 1 km", ich
habs geschafft! Eine Kurve später das Ortsschild. Spätestens jetzt wird mein
Schritt wieder schneller, immerhin will ich bei den Touristen hier einen
guten Eindruck hinterlassen. Die denken bestimmt nur, ich wäre "ein Biker
ohne Rad", denn zu Fuß bewegt man sich am und um den See offenbar kaum noch.
Doch Sinn dafür habe ich augenblicklich keinen, konzentriert arbeite ich
meine "To-do-Liste" ab:
1. Bett für die Nacht klar machen
2. Frühstücken
3. Zimmer beziehen
4. Zufrieden Mittagsschlaf halten
Ob ich denn auch wieder zurücklaufen würde, fragt mich vorher meine
Gastgeberin noch.
"Nein!"
antworte ich ihr: "Dafür nehme ich die Bahn!"
Die Daten:
Streckenlänge lt.
Planung: 153 km
Streckenlänge nach Auswertung: 166 km
Höhenmeter: 2500 m. lt. Plan; 3400 m. lt. Garmin
Zeitbedarf: 27 1/2 Stunden inkl. Kaffeepause und einem kurzen Schläfchen in
der Nacht
Sightseeing Meersburg.
Mein Knie: Gezeichnet von nächtlichen Berührungen mit Distel und Nessel.
Meine Laufsocken wandern - luftdicht verpackt - noch in Meersburg im Müll.
Mein Ziel von der Seeseite aus.
Eine beeindruckende Wolkenformation begleitet mich auf dem Nachhauseweg.
Mit dem Schiff nach Friedrichshafen und von dort mit dem Zug zurück. Der
Kreis schließt sich.
Verabschiedung durch das "Wahrzeichen" der Gegend.
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