Die Sonne geht auf, wir sind nun fast 24
Stunden unterwegs.
Fast euphorisch
erreichen Hannes und ich die Verpflegungsstelle bei km 111. So zügig wie
diese sind wir bislang keinen Abschnitt gelaufen. Das gibt Mut für die
kommenden Kilometer. Albin, der wieselflink unterwegs war, habe ich nicht
mal gesehen. Er steht schon bei den Getränken. Und auch Benjamin ist schon
wieder startklar.
Nichts ist mit Waldblick, noch immer ist es
dunkel.
Unsere erste "schnelle" Etappe bringt Hannes
ins Schwitzen.
Doch unseren Humor verlieren wir nicht!
Auch wenn uns die Gedenkstätten an Grenzopfer noch immer nachdenklich
stimmen.
Umso heftiger trifft
mich dann Geros Ankündigung. Es wurde beschlossen, den Mauerlauf um 27 km zu
verkürzen, um den Zeitplan einzuhalten. Wir sollen alle mit PKWs zu km 138
gebracht werden, um da wieder in den Mauerweg einzusteigen. Ich bin wie vor
den Kopf gestoßen. Klar, wir liegen im Zeitplan zurück. Auch schummeln wir
bei öffentlichen Veranstaltungen ab und an ein wenig, verkürzen die Distanz, um dem Veranstalter
gerecht zu werden. Doch heute sind wir der Veranstalter, die Läufer der
DS-Staffel. Wer sollte uns in einen Rahmen zwängen?
Weshalb ich dabei bin XII - Teil II
Es gibt noch einen Grund, weshalb ich dabei bin. Ich bin
Jahrgang 67. Als ich geboren wurde, stand die Mauer bereits
einige Jahre. Als ich lernte, dass diese Mauer existiert, stand
sie im Zeitverständnis meiner Kindheit bereits eine Ewigkeit.
Weshalb sollte sie jemals fallen?
Ich erlebte 1972 die Olympischen Spiele, 1974 schon bewusst die
Fußball-WM mit dem berühmten Spiel der beiden deutschen
Mannschaften gegeneinander mit dem Sieg der DDR. Für mich war
die DDR ein Gegner wie jeder andere.
Später wurde ich dann ständig mit meinem Namen konfrontiert.
"Wie der aus dem Osten?" wurde ich gefragt, wenn mein Gegenüber
meinen Namen richtig schreiben wollte. In nahezu allen
Bewerbungsgesprächen um einen Ausbildungsplatz durfte ich über
die Geschichte meines Namens berichten. Ich erzählte! Emotionen
entwickelte ich nicht.
An das Jahr 1989 und den 9.11.1989 kann ich mich noch gut
erinnern. An meine Arbeit in den Auffanglagern der im Sommer
Geflüchteten, an den Mauerfall, den ich im Seminar erlebte. Ich
lag bereits im Bett. wir standen Alle wieder auf, feierten
spontan. Die Freude über den Mauerfall ist bis heute geblieben.
Es hat allerdings lange gedauert, bis ich verstand, dass Dinge,
die nicht nur in der Realität, sondern auch in meinem Kopf
fest zementiert waren, plötzlich weg waren. Vieles lässt sich
verändern, es braucht nur ein Ziel und des festen Glauben daran.
Marathonis haben Ziele. Mit Benjamin habe ich mich über seinen
1. Marathon unterhalten. Ich denke, er wird es schaffen. Wenn er
es angeht, ich bin dabei... wie beim Mauerlauf!
Dieter |
Als Anita kommt, verkündet Gero zum 2. Mal die Entscheidung. Doch Anita ist
nicht bereit aufzugeben. Sie will und wird weiter laufen, fragt mich und
Robert, ob wir beide sie begleiten würden. Ein Kopfnicken nur, ich drehe
mich um, meinen Rucksack mit Verpflegung aufzufüllen. Wir werden sie
brauchen.
Sonnenaufgang auf dem Mauerweg
Es wird verkündet,
dass Jedem, der weiter läuft, die Laufkarten abgenommen würden. Ich bin in
Kampfeslaune. Niemand wird mir meine Karte abnehmen, das steht fest. Wir
drei machen uns auf den Weg. Spontan springen Läufer von den Bänken auf,
schließen sich uns an. Unsere Schar zählt 10 Personen. Ohne viel
Verpflegung, ohne Roadbook, dafür mit umso mehr Entschlossenheit machen wir
uns auf den Weg.
Richtung Neukölln- Richtung Potsdamer Platz - Richtung
Ziel
Nach wenigen hundert
Metern bleibt Anita stehen. Ihr Platz sei an der Seite der Marathonis meint
sie und sie hat Recht. Somit bleiben 9 Läufer übrig, den Mauerweg zu
bezwingen.
Nur durch kleine Hinweise ist noch
festzustellen, wo wir uns befinden.
Zunächst müssen wir
uns daran gewöhnen, uns auch um die Orientierung zu kümmern. Das Tempo in
unserer Gruppe ist jetzt höher und es verläuft sich leichter. Dabei
diskutieren wir unablässig die augenblickliche Situation.
War es richtig,
was wir getan haben? Ernsthafte Zweifel daran haben wir nicht. Wir sind ein
"erlesener" Haufen. Jeder von uns hat Läufe genug auf dem "Kerbholz". Keiner
von uns braucht "diesen Triumph" in seiner Vita. Wir sind uns einig.
Unser Lauf hat sich verändert. Aus einer großen Gruppe ist
eine kleine und verschworene Gemeinschaft geworden.
Zunächst kommen wir
zügig voran. Als wir nach einer Stunde gerade eine Pause einlegen wollen,
entdecken wir plötzlich eines unserer Versorgungsfahrzeuge. Die Jungs hatten
extra für uns eine Schleife eingelegt, um uns noch einmal zu verpflegen,
erklären aber gleich, sie könnten wohl später nicht mehr bei uns vorbei
sehen. Wir füllen unsere Flaschen, ziehen weiter.
Es hat wieder zu regnen begonnen. Trotzdem kämpfen wir uns
Kilometer für Kilometer vorwärts.
Regen ergießt sich
über uns, richtig heftiger Regen. Doch mit jedem Schritt, den wir uns
vorwärts bewegen, wächst die Gemeinschaft. Es ist klar, wir halten zusammen.
Gemeinsam kommen wir ans Ziel, egal wann das sein wird. Denn wir haben ja
einen ganzen Marathon vor uns und bereits knappe drei hinter uns.
Wir sind zu neunt:
Thomas, Johannes, Robert, Klaus, Armin, Olaf, dazu kommen unsere beiden
Damen Silke und Heike und natürlich ich. Und zum Glück ist immer wenigstens
einer von uns kraftvoll und bringt uns voran.
Olaf, ist lange Touren gewöhnt. Seine
Erfahrung und sein Humor helfen.
Als es gerade
besonders heftig regnet, wartet das schlimmste Stück der Strecke auf uns.
Eingeklemmt zwischen Teltowkanal und den Lärmschutzwällen der A 113 geht es kilometerlang monoton dahin.
Der Wall ist bereits ein Vorzeichen auf das,
was jetzt auf uns zukommt.
Über eine große Brückenkonstruktion biegen
wir nach Norden ab. Von nun an ist die A113 unser Begleiter.
Ich erinnere mich. Bei
meiner nächtlichen Besichtigung kam ich aus der anderen Richtung an dieses
Teilstück heran und dachte mir damals schon, dieser Weg wäre an Monotonie
kaum zu überbieten. Mit der heutigen Erschöpfung zieht sich die Etappe wie
Kaugummi.
Sie sind ultralange Strecke gewohnt: Silke,
Klaus und Heike
Noch schauspielert Olaf.
Es regnet! Einzigen
Schutz bieten trostlose Brücken. Wir nehmen das "Dach über dem Kopf" dankbar
an. Jeder von uns hat Erholung nötig. Um das festzustellen genügt ein Blick
in die Gesichter.
Silke
Robert
Hannes
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