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DNF beim Südtirol Ultra Skyrace
Das endgültige Aus!

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Am Hirzer

Km 60 bis 80

Die halbe Stunde Pause hat mir gut getan. Ich fühle mich wieder wohler und kann sogar - trotz angezogener Handbremse - wieder Läufer überholen. Über die ausgedehnten Schneefelder kommt mir meine Leichtigkeit und die Trittsicherheit doch entgegen. Ich beginne, wieder Mut zu schöpfen und hoffe, auch auf Dauer wieder in Tritt zu kommen.

Auch der Abstieg vom Gerölljoch lässt mich leicht aufjubeln. Kaum bin ich die erste und schwierige Passage abgestiegen, kann ich die leichten Kehren gut bergab laufen und mache weiter Boden gut.

 
Es geht über ausgedehnte Schneefelder. Hier kommt mir meine Leichtigkeit und Technik entgegen.

Tempo machen beim leichten Abstieg hinunter nach Oberberg.

Der Bergweg geht in einen Fahrweg über. Immer noch im leichten Gefälle trabe ich dahin. Weit hinter und vor mir ist niemand zu entdecken. So treibt mich nur mein eigener Anspruch vorwärts. Das tut gut.

Auch wenn ich wieder Hunger verspüre, komme ich doch gut den leichten Anstieg zur Ebenbergalm hinauf. Hier treffe ich auch wieder auf Mareile, die mich schon bei der großen Versorgungsstelle am Penserjoch vermisste.

Wieder lasse ich mir Zeit, versuche möglichst viel in mich aufzunehmen, was mir aber erneut misslingt. Einiges würgt mich schon beim Anblick, anderes bekomme ich beim besten Willen nicht hinunter. Wieder etwas skeptischer nehme ich den 1000 Meter-Anstieg zum Niederalpler in Angriff.

 
An der Ebenbergalm hole ich sogar Mareile wieder ein.

Den langen Anstieg zum zum Niederalpler gehe ich dann in wohltuender Begleitung an.

Kaum endet der Fahrweg und es geht wieder in steileres Gelände, muss ich den Kontakt zu meinem augenblicklichen Begleiter abreißen lassen. Immer wieder werde ich zu kurzen Pausen gezwungen. Je steiler es wird, desto kürzer wird der Abstand zwischen den Pausen. Ich versuche meine Kräfte einzuteilen, merke jedoch zunehmend mein Energiedefizit.

Kurz vor dem Grat, an dem eine hohe Wächte den Weg versperrt, passiert dann ein kleines Missgeschick mit schweren Folgen: Ich rutsche kurz ab, falle ein wenig nach Vorne. Zwar kann ich mit abstützen, doch mein rechter Stock wird über eine Kante gebogen und gibt splitternd nach. Das Karbon ist zwar leicht und grds. stabil, aber eben nicht seitenbelastbar. Glück im Unglück,  oben auf dem Grat ist eine Gruppe der Bergrettung postiert. In nur wenig mehr als 3 Minuten haben sie mir meinen Stock provisorisch repariert. Er ist zwar nicht mehr wirklich belastbar, aber doch zumindest für leichtes Abstützen weiterhin verwendbar.

 
Stockverarztung durch die Bergrettung!

Km 80 bis 91 - Finale!

Vorsichtig mache ich mich an den Abstieg. Der Stock hält, auch wenn ich ihn nicht mehr belaste. Doch mein Magen ist wieder einmal leer, wirklich Lust, etwas dagegen zu unternehmen, verspüre ich aber auch nicht. Mein Proviant bleibt unangetastet, leider. Dabei könnte ich ihn derzeit wirklich gut gebrauchen. Es ist wie verhext. Mein Kopf arbeitet gegen mich.

Obwohl ich nur langsam vorwärts komme, kann ich meine Position auch weiterhin halten. In der Ferne sehe ich immer wieder Mareile und weiß, dass ich eigentlich noch passabel unterwegs bin. Und trotzdem steigt der Frust umgekehrt proportional zur schwindenden Kraft. Was könnte ich heute bewegen, würde ich mich wohl fühlen?


Km 80; 2/3 der Strecke sind zurückgelegt.

Filmischer Empfang an der Hirzerhütte.

Wieder eine lange Pause an der Hirzerhütte, bevor ich den schwierigen Aufstieg zur oberen Scharte am Hirzer in Angriff nehme. Dass niemand hinter mir herkommt, zeigt mir, dass ich an sich gut unterwegs bin, doch wirklich aufbauen kann mich das in dieser Situation leider nicht.

Die 700 Meter Höhendifferenz zur Scharte werden zur einzigen Qual. Nur in Kleinstetappen kann ich mich vorwärts kämpfen. Ständig muss ich Pausen einlegen. Was sonst meine Stärke ist, nämlich das zügige Steigen großer Höhendifferenzen wird heute mein Stolperstein. Nur mit höchster Willenskraft ereiche ich die Scharte, frage mich, wie ich es überhaupt geschafft habe. Selbst im körperlich guten Zustand ist der Weg eine echte Herausforderung.

Hinunter das gleiche Spiel. Zögerlich nur kann ich absteigen. Immer kürzer werden meine Etappen. Meine mentalen Reserven neigen sich jetzt noch schneller zur Neige als meine körperlichen.


Kaum zu glauben, dass ich diesen Abstieg bewältigen konnte.

Obwohl der Weg zur Meraner Hütte jetzt leicht ist wie kaum ein anderes Stück vorher, komme ich nur noch schleichend vorwärts.

Km 90 ist erreicht. Zwar weiß ich, dass ich nur noch wenige Höhenmeter überwinden muss, doch trotzdem hat mich mein Kampfgeist verlassen. Noch 30 km in diesem Tempo, bedeuten knapp 10 Stunden verbleibenden Kampf. 10 Stunden womöglich gebeutelt von Schwäche, Zweifeln, schwindender Moral. Mein Entschluss steht fest:

Bei nächster Gelegenheit ist Schluss!

Und die Gelegenheit lässt zum Glück nicht mehr lange auf sich warten. Beim Streckenposten hinterm Kratzberger See ist mein Kampf zu Ende. Nichts geht mehr. Unabhängig von meinen Kräften ist mein mentaler Akku lestlos zusammengebrochen. Ich setze mich, gebe meinen Entschluss bekannt. Überredungsversuche, es wenigstens bis zur Meraner Hütte noch mal zu versuchen, schlagen fehl. Für mich ist das Rennen hier und jetzt beendet, auch wenn mir in diesem Moment Tränen der Enttäuschung in die Augen schießen.


Mit einbrechender Abenddämmerung ist mein Kampf zu Ende.

Der Rest ist schnell erzählt. In Sekundenschnelle friere ich am ganzen Leib, lasse mir von den beiden Streckenposten alle nur erdenklichen Kleidungsstücke um den Leib binden. Das bestärkt mich wiederum in meiner Entscheidung. Offenbar ist der Tank wirklich leer, restlos!

Die wenigen Kilometer bis zur Meraner Hütte lege ich im Landrover der Bergrettung zurück. Dort werde ich medizinisch durchgecheckt. Puls, Blutdruck, EKG... alles ist in Ordnung. Das beruhigt mich und meine Helfer. Wenig später bringt mich ein Shuttlebus zurück nach Bozen. Von der Fahrt bekomme ich so gut wie nichts mit. Kälte und Erschöpfung haben mich in den Schlaf fallen lassen.

Am nächsten Morgen lastet die Entscheidung des Vorabends schwer auf meinen Schultern. Die fest eingeplante Fahrt zur Siegerehrung schenke ich mir. Zu tief sitzt die Enttäuschung.

Sieg über mich selbst oder Niederlage?

Jetzt, fast 2 Wochen später habe ich die Ereignisse verdaut. Sicher bin ich weiterhin enttäuscht, auch über mich selbst. Und trotzdem keimt gerade ein kleines Fleckchen Stolz in mir. Stolz darauf, dass die Vernunft über den Willen gesiegt hat; Stolz, dass ich tatsächlich aufhören, der "Schmach" aufrecht ins Auge sehen konnte.

Mittlerweile kann ich auch problemlos darüber berichten. Ob ich "die Schmach" tilgen will und das Ultra Skyrace im nächsten Jahr bezwingen? Ich weiß es nicht. Auch das ist eine wertvolle Erkenntnis:

Ich muss mir nichts beweisen? Ich will nur den Spaß am Laufen behalten. Und wenn mich der Spaß am Lauf im kommenden oder in einem der nächsten Jahre wieder einmal nach Bozen zieht, dann gerne. Denn wunderschön ist die Strecke und das Rennen allemal, wenn auch erkannter Maßen selektiv:

Vielleicht bis irgendwann!  

 

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"Weg ist zwischen dem letzten und dem nächsten Schritt!"

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