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Tag 2 -
von Courmayeur nach Champex-Lac
Champex-Lac
Nach Chamonix ins Ziel
Danksagung
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Wenn wir ein Ziel vor Augen haben,
stellt auch ein steiler oder steiniger Weg kein Hindernis dar.
Ernst Ferstl
Ich nehme an, Ernst Ferstl kennt den
Anstieg zum Bovine nicht, sonst hätte er seinen Spruch sicher nie gesagt.
Der Bovine ist zwar keiner der hohen oder langen Anstiege, dafür besonders
anstrengend. Nahezu mit jedem Schritt muss ein höherer Felsblock erstiegen
werden. Damit raubt er schnell die wieder gewonnenen Kräfte.
Gründlich! Doch meine Moral bricht er nicht. Gerade bergauf bin ich meist
schneller als meine Mitstreiter. Das tut gut, denn so weiß ich, dass meine
Anstrengung, meine Qual jetzt normal ist. Nur selten höre ich ein Wort,
alle konzentrieren sich auf ihren Weg.
Eric Tuerlings dokumentierte
den Aufstieg zur Bovine mit vielen Bildern. Wer bei Tageslicht sehen will,
was wir bei Nacht zurücklegten, werfe einfach mal einen Blick auf die Bilder
seiner Homepage: (Die
Bovine bei Tageslicht)
Doch der Weg hat sich gelohnt. Vom
leichten Höhenweg genießt man einen wunderschönen Blick ins Rhonetal. Die
Lichter Martignys leuchten zu uns hinauf. Mein Telefon klingelt. Lauffreund
Willi. Er berichtet, dass er mich schon die ganze Zeit über den Live-Ticker
verfolgt, erzählt, ich würde das Feld von Hinten aufrollen. Schwärmt! Das
gibt mir Kraft und Mut, der Anruf kommt exakt im richtigen Augenblick, auch
wenn die Szenerie nahezu grotesk wirkt. Es ist Mitternacht, ich bin seit
nunmehr 30 Stunden unterwegs und telefoniere, während ich mich vom
traumhaften Ausblick berauschen lasse.
An der Zwischenverpflegung verabschieden
wir uns. Nun geht es hinab nach Trient, der Abstieg mörderisch steil wie der
Aufstieg. Oberschenkel brennen. die letzten Meter hinunter in die Stadt tun
weh, sehr weh.
Ich gönne mir noch einmal eine Massage,
verharre noch minutenlang auf der Pritsche, bis ich sie räumen muss. Beim
Aufstieg nach Catogne bin ich zum ersten Mal müde, so müde, dass ich während
des Aufstiegs einschlafe, nur kurz, doch als ich die Augen öffne, bin ich
wenige Meter vom Weg abgekommen. Ich konzentriere mich wieder und bald ist
die Müdigkeit überwunden. Es sollte meine einzige kurze Schwächephase in
puncto Müdigkeit bleiben. Ich hatte von Grund auf keinen Schlaf eingeplant,
vielleicht ist das er Schlüssel zu diesem Erfolg... was nicht sein soll, ist
eben nicht!
Um 5:30 Uhr erreiche ich Vallorcine, den
letzten Versorgungspunkt. Dort wollte mich Klaus erwarten, doch ich war
schneller und so wecke ich ihn per Telefon. Er hat die Nacht im Auto
geschlafen und ist schnell da. Doch ich habe schon ausreichend gegessen,
bleibe nur noch kurz. 17 km noch bis Chamonix. Das Ziel ist praktisch in
greifbarer Nähe, ich werde gut 4 Stunden dafür brauchen. Erste Glücksgefühle
überrollen mich.
Die ersten km verlaufen einfach. Es dämmert
schon, doch heute morgen ists bereits bewölkt. Doch selbst ein Wolkenbruch
könnte mich jetzt nicht mehr aufhalten. Hier wurde die Strecke im Vergleich
zum Vorjahr noch mal modifiziert und wir haben zusätzlich 800 Höhenmeter
auf über 2000 Meter zu erklimmen. Bergauf bin ich noch fit, überhole den
Österreicher Josef. Wir unterhalten uns zunächst in englisch, bis wir beide
merken, dass es auch auf deutsch geht. Er meint, für mich wäre die 40
Std.-Schallmauer noch zu knacken, ich bin skeptisch. Wir wünschen uns viel
Glück.
Blick vom Col de Montets und zurück nach
Vallorcine
Die meisten ärgern sich über diese
Zusatzsteigung, ich freue mich. Nicht, weil ich mich so gerne quäle. Nein,
hier hat man vom Gegenhang aus einen herrlichen Blick aufs Mont-Blanc-Massiv.
Schade, das Wetter trübt etwas die Aussicht. Doch der Augenblick, als die
Sonne gerade über die Spitzen der gegenüberliegenden Bergkette bricht, ist
grandios. Cat Stevens "Morning has broken" kommt mir in den Sinn. Leise
summe ich das Lied vor mich hin. Ich bin alleine, kann deshalb sogar die
eine oder andere Strophe laut vor mich hinsingen:
Morning has broken, like
the first morning
Blackbird has spoken, like the first bird
Praise for the singing, praise for the morning
Praise for them springing fresh from the world.
Sonnenaufgang
Interessant! Jetzt werden sogar die
Franzosen gesprächig. Die meisten Gespräche führe ich doch auf diesen
letzten Kilometern. Das gemeinsame Ziel vor Augen verbindet.
Den letzten Anstieg geschafft. Auf dem
Höhenweg läuft es sich entspannter!
Doch mit ihrer Leichtfüßigkeit kann ich es
heute nicht mehr aufnehmen!
Dieser Blick ist jede Mühe wert: Mer de
Glace
La Flégère ist erreicht. Von nun an
gehts nur noch bergab, 7 km. Ich habe noch eine Stunde, um unter einer
Gesamtzeit von 40 Stunden zu bleiben. Das ist zu schaffen. Doch es geht noch
einmal in etwa 1000 Meter in die Tiefe. Ein Test und ich entscheide mich für
die sichere Variante. Die Oberschenkel brennen, nur nichts riskieren. Erst
noch mal an den Wegesrand gesetzt und die langen Klamotten ausgezogen. Jetzt
ist die magische Marke unrealistisch und der Weg frei für ein genussvolles
Absteigen. Ich verliere ab hier zwar noch 25 Positionen, dafür kann ich
jedes "Courage" genießen. Es tut so gut, zieht rein bis tief unter die Haut:
"Bon Courage!" - "Merci,
merci!"
Ich überhole Paare vom "LA PETITE
TROTTE" Sie sind seit Mittwoch unterwegs, haben 220 km und 17000 Höhenmeter
hinter sich. Jetzt bin ich an der Reihe:
"Bon jour! Courage" - "Merci!"
Und dann erreiche ich Chamonix. Längst
bin ich wieder im Laufschritt, kämpfe mit den Tränen. Links und rechts von
mir ein Spalier von Zuschauern. Und wieder dieses vielstimmige "Courage!".
vor mir ist niemand zu sehen. Vorsichtig drehe ich mich um, Auch hinter mir
ist im weiten Abstand niemand zu sehen. Mir wird klar: DIE MEINEN ALLE MICH!
Dabei ist bereits vor knapp 20 Stunden der Sieger hier vorbeigeflitzt. Und
seitdem wohl mehrere Hundert Läufer. Und trotzdem stehen sie hinter den
Absperrungen dicht gedrängt. Aller Schmerz ist vergessen. Innerlich vor
Freude heulend reiße ich die Stöcke in die Höhe, winke zurück ins Publikum.
"MERCI!"
Eine letzte Schleife durch die Stadt...
warum ist der Weg nur so kurz... ich könnte noch ewig weiter laufen... eine
letzte Kurve... die Ziellinie. Ich verbeuge mich, überschreite die
Ziellinie, überwältigt gehe ich in die Knie. Eine
Filmkamera hält dicht auf mich drauf. ich kämpfe mit den Tränen, drücke sie
dennoch weg. Hinter der der Absperrung mein Freund Klaus, wir umarmen uns.
Es ist vollbracht. Unfassbar, unmöglich in Worte zu fassen.
überwältigt... von den Anstrengungen und
Emotionen!
Impressionen vom Ziel:
Finisher... alleine, mit Kindern, jubelnd
oder genießend!
Jeder hat seine persönliche Art, den Augenblick zu erleben.
weiter zu Teil 10
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